Nachruf auf Walter Berka von Hannes Tretter und Thomas Höhne

Walter Berka, Emeritierter Ordentlicher Universitätsprofessor der Universität Salzburg

Beirat des Wiener Forums für Demokratie und Menschenrechte

Walter Berka lebt nicht mehr. Am Freitag, 15. Juli 2021, ist er im Kreis seiner Familie nach überraschender, kurzer Krankheit verstorben. Er wurde 73 Jahre alt. Im Frühjahr dieses Jahres haben wir ihn eingeladen, Beirat unseres neu gegründeten Wiener Forums für Demokratie und Menschenrechte zu werden – er hat mit Freude zugesagt, nicht nur, weil er uns seit fast 40 Jahren beruflich und freundschaftlich eng verbunden war, sondern weil ihn auch die rechtspolitischen Zielsetzungen des Forums ansprachen: Gemeinsam verband – und verbindet uns weiter! – die Überzeugung, dass der Schutz und die Gewährleistung der Grund- und Menschenrechte sowie die Sicherung der Rechtsstaatlichkeit in all ihren Facetten unverzichtbare, elementare Fundamente einer der Aufklärung verpflichteten, lebendigen demokratischen Gesellschaft sind.

Es war meiner (Hannes) Erinnerung nach das Jahr 1981, als ich Walter Berkas legendären Aufsatz „Die Europäische Menschenrechtskonvention und die österreichische Grundrechtstradition“ in der ÖJZ 1979 in die Hände bekam und so fasziniert war, dass ich ihn anschrieb und fragte, ob er Interesse hätte, am folgenden Winter-Seminar in Strobl am Wolfgangsee teilzunehmen, das ich in Vertretung meines akademischen Lehrers Felix Ermacora halten durfte. Walter Berka sagte zu, und so ergab es sich, dass wir am Abend der Seminartage, intensive fachliche Gedanken tauschend, über eine Forststraße mit Fackeln in der Hand auf die nahe gelegene Postalm wanderten, um von dort mit Rodeln abzufahren. Die dem fachlichen Austausch folgenden persönlichen Gespräche, die wir damals führten, haben uns nähergebracht und mich animiert, Walter fürs Jahr darauf auf eine Regatta in der Adria im damaligen Jugoslawien einzuladen – eine Einladung, der er gerne nachkam und die unsere gemeinsame Leidenschaft fürs Segeln am Meer begründete.

Kurz darauf erzählte ich meinem Freund, Uni-Kollegen und angehenden Rechtsanwalt Thomas Höhne von Walter Berka, der eben einen Aufsatz zum Thema „Die Kommunikationsfreiheit in Österreich“ und seine Habilitationsschrift „Medienfreiheit und Persönlichkeitsschutz – Die Freiheit der Medien und ihre Verantwortung im System der Grundrechte“ veröffentlichet hatte. Bei einer Veranstaltung zum Medienrecht in Laxenburg machte Hannes mich (Thomas) mit Walter bekannt. Ich brauchte gerade dringend Unterstützung beim Verfassen einer VfGH-Beschwerde: der Liedermacher Kurt Winterstein hatte „obszöne Texte über Mikrofon vorgetragen“. Aufsatz und Habilitation von Walter Berka fanden Eingang in meine Beschwerde, die mit dieser Munition natürlich erfolgreich sein musste (VfGH B 249/84). Und damit waren auch schon die Themen umrissen, die Walter und mich in den darauffolgenden Jahrzehnten immer wieder zusammenführen sollten, so auch beim „Mediengesetz Praxiskommentar“, der ohne den von Walter verfassten Teil, aber auch sein Know-how und seine Erfahrung, an denen er seine Mitautoren teilhaben ließ, nie das geworden wäre, was er immer noch ist. Wann immer ich bei einem der vielen Themen, in denen Walter zu Hause war, eine Frage hatte – ich konnte sicher sein, nicht nur eine treffende Antwort, sondern auch gleich umfangreiches literarisches Material zu bekommen – und, was meist am wichtigsten war, einen Fingerzeig, in welche Richtung ich nachdenken sollte.

Die Folge war, dass wir drei zu engen Freunden wurden, die nicht nur die Juristerei, sondern auch das Segeln verband. Auf Törns im Mittelmeer, vom Tyrrhenischen Meer über Korsika, Sardinien, Sizilien, Malta, die Ionischen Inseln in die Adria bis Venedig, zurück nach Korfu und weiter zum Peloponnes, nach Kreta, den Dodekanes und die Ägäis haben wir nicht nur, historisch Odysseus‘ Spuren folgend, die Kultur und Landschaft des Mittelmeers erkundet, sondern uns auf so manchen Überfahrten und in vielen Ankerbuchten zahllosen juristischen Themen und heißen Debatten hingegeben. Dabei war Walter stets der ruhende, wohl überlegt und ausgeglichen argumentierende Pol, der sich auch durch emotionale rechtspolitische Positionierungen nicht vom wissenschaftlich fundierten Kurs abbringen ließ – genauso wenig, wie er als Navigator jemals einen falschen Kurs einschlug, sich von nahenden Gewittern beunruhigen oder als Smutje von meterhohen Wellen abhalten ließ, für die hungrige Crew Palatschinken zu flambieren. Großartige „juristische Kost“, die oft über den „juristischen Tellerrand“ blickt, zeichnet auch sein gesamtes, reiches berufliches Œuvre aus, wie gleich zu zeigen sein wird.

Nach der Matura mit Auszeichnung studierte Walter Berka Politikwissenschaft, Publizistik und Rechtswissenschaften an der Paris Lodron Universität Salzburg. 1972 promovierte er zum Doktor der Rechtswissenschaften und wurde Universitätsassistent am Institut für Verfassungs- und Verwaltungsrecht bei Professor Hans Ulrich Evers. 1982 legte er seine Habilitationsschrift „Medienfreiheit und Persönlichkeitsschutz – Die Freiheit der Medien und ihre Verantwortung im System der Grundrechte“ vor, mit der er die Lehrbefugnis als Universitätsdozent für die Fächer „Allgemeine Staatslehre, Verfassungs- und Verwaltungsrecht“ erhielt.

Seine herausragenden wissenschaftlichen Fähigkeiten schlugen sich bald in mannigfachen Ernennungen nieder. So war Walter Berka an seiner Universität von 1994 bis zu seiner Emeritierung 2016 Ordentlicher Professor für Allgemeine Staatslehre, Verwaltungslehre, Verfassungsrecht und Verwaltungsrecht sowie von 1998 bis 2004 Dekan der Rechtswissenschaftlichen Fakultät, an deren Modernisierung er maßgeblich mitwirkte. Auch wissenschaftspolitisch war Walter Berka engagiert: als Korrespondierendes Mitglied der Österreichischen Akademie der Wissenschaften und Wirkliches Mitglied deren philosophisch-historischen Klasse, als Mitglied des Österreichischen Wissenschaftsrats und Vorsitzender bzw. Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats der Österreichischen Forschungsgemeinschaft.

Im Zentrum seines umfangreichen Schrifttums, das sich auch durch sprachliche Brillanz auszeichnet, stehen Medienfreiheit und -recht, Meinungs-, Kommunikations- und Informationsfreiheit, Schutz der Privatsphäre und Datenschutz – Themen, die ihm auch Gelegenheit gaben, ethischen, moralischen und sozialen Fragen nachzugehen; zudem zahlreiche grundrechtsdogmatische Analysen sowie Kommentare und Lehrbücher zu den Grundrechten und zum österreichischen Verfassungsrecht – sein Hauptthema, das ihn sein Leben lang begleitet hat (siehe sein Porträt auf https://www.youtube.com/watch?v=A57hctJEj_g); die 8. Auflage dieses Lehrbuchs erschien wenige Wochen vor seinem Tod. Darüber hinaus finden sich aber auch Publikationen zu Bildungswesen, Elternrecht, Studien- und Universitätsrecht, Gewerbe- und Betriebsanlagenrecht, Erwerbsfreiheit, Gemeinderecht und Raumordnung.

Wissenschaftliche Vorträge von Walter Berka waren stets von einem spannenden Aufbau und einer glänzenden Rhetorik geprägt, wie sein als Video abrufbarer Vortrag aus Anlass „100 Jahre Verfassungsgerichtshof“ zum Thema „Lebendiges Verfassungsrecht: Verfassungsrechtsprechung im Diskurs“ ein Jahr vor seinem Tod erlebbar macht (https://www.youtube.com/watch?v=6DwczNXE2Fo).

Walter war zudem ein sehr geschätzter und trotz aller Ernsthaftigkeit auch humorvoller Lehrer, wovon ich (Hannes) mir selbst ein Bild machen konnte, als ich an einem von ihm in englischer Sprache abgehaltenen Seminar teilnahm und ihm am Ende für seine „great hostility“ (anstatt „hospitality“) dankte, woraufhin er mit der Anrede „Dear enemy!“ replizierte.

Überhaupt hat Walters Humor viele unserer Begegnungen und Momente unvergessen gemacht. Ein guter Teil der Essenz unserer juristischen „Meeres-Dialoge“ lässt sich in der 2019 erschienenen Festschrift für Manfred Nowak und Hannes Tretter „Menschenrechten Gestalt und Wirksamkeit verleihen“ im äußerst humorigen und doch tiefschürfenden Beitrag von Walter Berka und Thomas Höhne zum Thema „Menschenrechte auf der Hohen See: Anmerkungen zur Theorie und Praxis des Persönlichkeitsschutzes“ nachlesen.

Walter Berka war ein herausragender, umsichtiger Navigator und Steuermann, nicht nur in nautischer Hinsicht, sondern auch als Rechtswissenschaftler. Nun hat er vielleicht seinen letzten Törn in die unendlichen Weiten des Universums angetreten, um Neues zu entdecken und zu erfahren. Wenn es so ist, werden wir ihm irgendwann folgen. Jedenfalls lebt er in unseren Gedanken weiter.

Hannes Tretter und Thomas Höhne